Wir schaffen es nicht zum Weihnachtsessen. Für Opa ist es zu spät.
Da kommen vielen von uns direkt ein paar Bildchen in den Kopf – und das auch noch mit passendem gelb-blauen Logo. Edeka und Jung von Matt schafften es im Jahre 2015, einen der umstrittensten und zugleich einprägsamsten Werbespots um den Globus zu pusten.
Schauen wir genauer hin, wieso wir uns noch jetzt an den Spot erinnern und wieso eine Prise (oder auch eine Schaufel) an Emotionen eine unterschätzte Geheimzutat der Werbewelt ist.
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt
Es ist kein Geheimnis, dass Emotionen einen direkten Draht zu unseren Erinnerungen haben. Starke Emotionen verankern das Erlebte in einer der vielen Schubladen zwischen unseren Synapsen. Je stärker die Emotionen, desto fester sitzt die Erinnerung.
Das heißt, auch mit etwas Mut und guter Exekution gibt es hier eine perfekte Grundlage für Markenresonanz und Ad Awareness. Nicht ohne Grund hat jede(r) noch den vergrauten alten Mann allein an seinem Esstisch vor Augen, wenn es um Weihnachtswerbung geht.
Das britische Pendent dazu ist der alljährliche John Lewis Christmas TVC. Seit 2007 geht DDB’s Adam and Eve mit der britischen Supermarktkette John Lewis auf das volle Weihnachtsgefühl in ihren Werbespots. Inzwischen fiebert ganz England jeden Winter auf das Filmchen hin, auch wenn die Geschichten sich meist ähneln – ein Kind als Protagonist mit einer tiefgreifenden Story rund um die Weihnachtszeit. Im Zusammenspiel mit der richtigen Begleitmusik drücken die Spots immer wieder aufs Neue auf die Tränendrüse. Doch nicht nur der Trubel online überzeugt, auch die Pfund Zeichen können sich sehen lassen. Von 2009 bis 2011 sind insgesamt £1.07 (€1.27) Milliarden an Umsatzsteigerung den Weihnachtskampagnen zu verdanken.
Der Fairness halber ist anzumerken, dass bestimmte Umstände eine gute Ausgangslage bieten. In diesem Fall ist es die ohnehin emotional geladene Zeit um Weihnachten. Dennoch, mit jeder weiteren ROI (Return on Investment) Erfolgsgeschichte ziehen viele Marken, wie Edeka, nach und entdecken das Potential einer emotionalen Kommunikationsstrategie.
Das Zünglein an der Waage
USP, CTA, RTB und welche Marketingkürzel uns sonst noch so in den Sinn kommen gelten schon seit einiger Zeit nicht mehr als das alleinige Heiligtum der Werber. Immer häufiger tauchen Kampagnen voller Emotionen und Tiefgang bei jeglichen Award Shows und Best Practices auf. Viele Marken-Macher fragen sich nun: „Wo liegt hier der Mehrwert?“
Konsumenten interessieren sich lediglich für Preis-Leistung, Rabatte und Produktvorteile, richtig? Richtig! Naja, sagen wir mal, so halb.
Ein kleines Beispiel:
Meine Großmutter geht seit 40 Jahren in ein und denselben Supermarkt einkaufen. In den letzten Jahren haben sich in ihrer Umgebung immer mehr Supermärkte aufgetan. Größeres Sortiment, bessere Beratung, kürzere Distanz. Dennoch besteht meine Großmutter darauf, in „ihren“ Supermarkt zu gehen, auch wenn es rational gesehen bessere Optionen gibt.
Aber das ist der springende Punkt. Menschen sind nicht rational. Menschen sind von Grund auf emotional getrieben (ob es uns bewusst ist oder nicht).
Der Supermarkt um die Ecke könnte die grünsten der grünen Äpfel haben, aber da säße Frau Müller nicht morgens an der Kasse, die sie nach ihren Hortensien fragt.
Daniel Kahneman hat es in seinem Buch „Thinking Fast, and Slow“ wie folgt ausgedrückt:
„Emotion eats logic for breakfast, lunch, dinner and especially supper”.
Meist scheinen klassische Emotionen die offensichtliche Wahl zu sein. Gefühlvolle Spots, die zu Tränen rühren, um das Mitgefühl der Konsumenten zu erwecken. Jedoch kann man vom ganzen Spektrum an Emotionen Gebrauch machen. Stolz, Nostalgie, Vertrauen, Sehnsucht… Mit der richtigen Story und einem authentischen Ansatz sind Strategen keine Grenzen gesetzt.
Zwischen Sales und Tiefgang
Eine emotional gestützte Strategie hat ihre Daseinsberechtigung und Effektivität bewiesen. Naja, zumindest in einem Brand und Image Kontext. Aber vergessen wir nicht, dass ein Großteil an Kommunikation verkaufsorientiert ist. Klassisches VKF, Promo und Produkt. Können unsere Tränen-Rührer auch hier ein Zuhause finden? Sind Emotionen weiterhin Vorreiter der Markenkommunikation, wenn es um Sales, B2B und Co. geht?
Ganz ehrlich? Keine Ahnung. Aber wie so oft im Wilden Westen des Marketings gibt es hier weder Antwort noch Garantie. Das, worauf man sich verlassen kann, ist das Bauchgefühl und die Erfahrung, die uns helfen, nach vorne zu blicken. Damit man das Beste aus einem Briefing holen kann und um mit einer Prise Mut den Status quo um einen weiteren Millimeter nach vorne zu schieben.